Inhalt
Einleitung
Frühzeit
Mittelalter
Renaissance
Barock
Klassik
Romantik
Moderne
Tabulatursysteme
Komponisten
Fingernägel
Bibliographie
Impressum
TaBazar
Geschichte der Gitarre

Die Renaissance
Der Aufbruch
David, Michelangelo
er von dem italienischen Maler Giorgio Vasari in seinen 1550 erschienenen Künstlerbiographien geprägte Begriff Rinascimento (franz. Renaissance), soll die Wiedergeburt des Menschen als Mittelpunkt des Lebens aufzeigen. Nachdem tausend Jahre der Bezug zum Jenseits das Leben der Gebildeten dominierte, stand nun der Mensch im Heute und Jetzt im Vordergrund. Die Künste und Wissenschaften erhielten einen explosionsartigen Aufschwung: Künstler wie Leonardo da Vinci und Michelangelo führten die Kunst auf neue Wege, Kopernikus und Galilei brachten das althergebrachte Weltbild ins Wanken, Kolumbus entdeckt Amerika und erweitert den Horizont, Gutenberg erfindet den Buchdruck, der die neuen Erkenntnisse zu schneller Verbreitung führt, Martin Luther begehrt gegen die katholische Kirche auf, die Architektur greift die Formen der Antike wieder auf. Auch die Musik wird z.B. durch den Beginn der Affektenlehre weltlicher und stellt das Gefühlsleben in den Bereich der Komposition.
Die Renaissance-Gitarre
itarrenartige Instrumente waren in der Renaissance noch von vielfältiger Form. Der Begriff guitarra renacentista (Renaissance-Gitarre) wird zum erstenmal bei Juan Bermudo (1555) für ein vierchöriges Instrument erwähnt, das im Unterschied zur spanischen Vihuela und der Laute im übrigen Europa nicht nur kleinere Ausmaße und eine geringere Saitenzahl, sondern auch das geringer geschätzte Repertoire hatte. Da aber im wesentlichen nur die Kunstmusik tradiert wurde, ist die Quellenlage gering.
In der speziell für die Gitarre komponierten Kunstmusik in Spanien durch Mudarra und Fuenllana und in Frankreich durch Le Roy und Morlaye zeigt sich aber der Bedeutungsunterschied der Gitarre in den nordeuropäischen Staaten, wo das Instrument keine Rolle spielte. Ab wann man von der Gitarre sprechen kann, ist sehr willkürlich, da sich die Instrumente regional sehr unterschiedlich entwickelten. Während Tinctoris die Vihuela und Gitarre schon im 15. Jahrhundert präzise unterschied, spricht Fuenllana deutlich später noch von einer vierchörigen Vihuela, die Gitarre genannt wird.
Spanien - Vihuela und Guitarra
ufstieg und Fall der Vihuela (seit dem 16. Jahrhundert gleichbedeutend mit Vihuela de mano) ist eng mit der Geschichte Spaniens als führende Macht im Europa des 16.Jahrhunderts verbunden. Unter Karl V. und Philipp II. erlebte Spanien einen Aufschwung, der sich auch in der höfischen Musik bemerkbar machte.
Neben der Intavolierung geistlicher und weltlicher Vokalsätze gehörten Fantasien, Tientos, Variationen und Liedbegleitungen zum Repertoire. 1536 veröffentlichte Luis de Milán mit El Maestro das erste Vihuelawerk der Geschichte, in dem der Schwierigkeitsgrad von Stück zu Stück ansteigt und somit für Schüler geeignet ist.
Auf dem Titelbild sieht man das berühmte Bild des Vihuela spielenden Orpheus, wobei sich das Instrument durch einen kastenförmigen Corpus, eine flache kunstvoll verzierte Decke mit zentraler Rosette, einen angesetzten Hals mit Bünden, Wirbelblatt mit hinterständigen Wirbeln und auf der Decke aufgeleimten Saitenhalter auszeichnet. In Italien hatte die gleichwertige Viola da mano einen Wirbelkasten wie die Laute.
Stimmung

G-c-f-a-d'-g'
Quart - Quart - große Terz - Quart - Quart
Vihuela-Stimmung

Auch wenn die Vihuela auf dem Titelbild als fünfchörig dargestellt ist, erfolgt die Notation ausschließlich sechschörig. Die Saiten sind alle doppelt und unisono gestimmt. Die übliche Stimmung entspricht abgesehen von den Chören der der Laute (G-c-f-a-d'-g' oder Quart - Quart - große Terz - Quart - Quart), also höher als die heutige Gitarre. Dass diese Angaben nicht allzu genau genommen werden können, zeigt sich durch die Anleitung im El Maestro:
Wenn die Vihuela groß ist, nehmt die erste Saite mehr dick als dünn,
und wenn sie klein ist, nehmt die erste Saite lieber dünn als dick,
und dies getan, bringt sie so hoch hinauf, wie sie es ertragen kann [...]
Luis de Milán, Libro de musica de vihuela de mano, Intitulado El Maestro, übersetzt und hg. von Wolf Moser, in Gitarre & Laute, Heft 5/1980ff
Die einzige erhaltene Vihuela befindet sich heute im Museum Jacquemart-André in Paris. Das Instrument hat bei einer Gesamtlänge von 109,4 cm eine Mensur von ca. 76-80cm (der Saitenhalter ist nicht vorhanden), was enorm groß im Gegensatz zur üblichen Mensur von 65cm bei der heutigen Torres-Gitarre ist. Vermutlich handelt es sich hier eher um eine Art "Bass-Vihuela", da die vorhandene anspruchsvolle Literatur auf diesem Instrument kaum zu spielen wäre. Nach Angaben bei Juan Bermudo kann man die übliche Mensur einer Vihuela mit 55 bis 60 cm annehmen. Dies entspricht auch der häufigen Gleichbehandlung mit der sechschörigen Laute, deren Mensur ebenfalls um die 60 cm maß.
Stimmung

Quart - große Terz - Quart
Temple Nuevos - Neue Stimmung

Stimmung

Quint - große Terz - Quart
Alte Bordunstimmung

Die Guitarra war in der Kunstmusik unbedeutend und wurde zur Liedbegleitung in der Volksmusik verwendet, die nicht notiert wurde. Dazu wurden in einfacher Spielweise meist ganze Akkorde durchgestrichen, schon um eine nötige Lautstärke bei den damals deutlich leiseren Instrumenten zu erzielen. Lediglich Alonso Mudarra und Miguel de Fuellana komponierten einige Werke originär für die vierchörige Guitarra. Mudarra verwendete neben der üblichen Temple Nuevos (neue Stimmung, Quart - große Terz - Quart) - Stimmung noch eine alte Bordun Stimmung (Quint - große Terz - Quart), bei der die tiefste Saite im Quintabstand steht. Da die Guitarra weniger tiefe Töne erzeugen musste als die Vihuela, konnte das Instrument (die Tonhöhe wird von der schwingenden Masse bestimmt) von kleineren Ausmaßen bleiben, was wiederum eine leichtere Bespielbarkeit hervorrief. Mudarra setzte zehn Bünde voraus.
Tabulaturen
Tabulaturen
Mudarra schrieb für das Buch Tres Libros De Música (1546, Sevilla) vier Fantasien, eine Pavane und Varationen über die Romanesca Guadarma las vacas ("Hüte mir die Kühe") für Guitarra. Der größte Teil sind aber Werke für die Vihuela. Miguel de Fuenllana veröffentlichete in seinem umfangreichen Buch Orphénica Lyra (1554, Sevilla) neun von 182 Werken für die Guitarra, davon sechs Fantasien und drei Liedbegleitungen, bei denen die Melodie in roten Ziffern eingefügt ist. Bei der Tabulatur handelt es sich um die italienische Tabulatur, bei der die höchste Saite unten notiert ist.
Bei dem folgenden Beispiel handelt es sich um Mudarras einundzwanzigste Fantasie Fantasia del primer tono des ersten Buches von Tres Libros De Música für die vierchörige Renaissancegitarre in der Temple nuevo-Stimmung, die den unteren vier Saiten einer heutigen Gitarre den Intervallen nach entspricht.
Die Werke aus der ca. 50 Jahre währenden Hochblüte Vihuela:

Luis de Milán
Valencia,ca. 1500 bis 1561
El Maestro, 1536, Valencia

72 Stücke, davon 40 Fantasien, 6 Pavanen und Liedbegleitungen. Die Stücke sind in pädagogisch ansteigender Form angelegt und erstmalig mit Spielanweisungen versehen
Alonso Mudarra
ca. 1508 - 1580
Tres Libros de Música en cifra para vihuela, 1546, Sevilla

Breites Repertoire von Tänzen wie Pavane und Galliarde, Lieder und Intavolierungen geistlicher Musik, Tinetos, Fantasien in allen Modi und Glosas
Miguel de Fuenllana
ca. Madrid,1500 - Valladolid,1579
Orphénica Lyra, 1554, Sevilla

182 Stücke in sechs Büchern. Bearbeitungen von Vokalsätzen, Fantasien.
Luis de Narváez Granada
ca.1500 bis nach 1555
Los seys libros de Delphin, 1538, Valladolid

Insgesamt 33 Stücke. Davon Zwölf Variationen, sechs Fantasien sowie Intavolierungen.
Valderrábano, Enríquez de
Peñacerrada, ca.1500 bis nac 1557
Libro de música de Vihuela, intitulado Silva de sirenas, 1547, Valladolid

Sieben "Libros" mit insgesamt 171 Stücken.
Diego Pisador
Salamanca, ca. 1509 bis ca. 1557
Libro de Música, 1552, Salamanca

Sieben "Libros" mit u.a. acht kompletten Messen von Josquin für Vihuela solo.
Esteban Daza
Valladolid, ca. 1537 bis nach 1591
Libro de Música ..., intitulado el Parnasso 1576, Valladolid

62 Stücke, geistliche und weltliche Lieder mit Vihuelabegleitung sowie 25 Solostücke, meist Fantasien.

Als 1588 die spanische Armada von der englischen Flotte unter Francis Drake vernichtet wurde, begann das Ende der spanischen Vorherrschaft in Europa und mit ihr nahm die Hochblüte der Vihuela ein Ende. Der letzte Druck mit Tabulaturen erschien 1578. Der Nachfolger Phillip II. pflegten die Musik am Hof zu Gunsten der Malerei (z.B. Diego Velázquez) und Dichtung kaum noch, sodass viele der Musiker an den portugisischen Hof wechselten.
Italien - Die Viola und Chitarra
eit 1504 war das Königreich Neapel und Sizilien unter der Herrschaft von Ferdinand I., dem König von Aragon. Vermutlich fanden Vihuela und Gitarre (hier als Viola und Chitarra) auf diese Weise den Weg nach Italien. Während die Vihuela von Francesco da Milano schon im Titel als mögliches Instrument für seine Lautenwerke benannt wurde, spielte die Chitarra eine unbedeutende Rolle.
Das mit Abstand am bedeutenste Zupfinstrument war aber die Laute. Im Jahr 1498 erhielt der Venezianer Ottaviano Petrucci vom Rat der Stadt das Privileg des Notendrucks mit beweglichen Typen. Mit Intabulatura de lauto von Francesco Spinaccino wurde von Petrucci 1507 die älteste erhaltene Lautentabulatur publiziert, nachdem im Jahr 1501 mit der Sammlung Harmonice musices adhecaton die erste gedruckte Musikpublikation überhaupt erschien.
Mit der durch den Druck möglichen höheren Auflage, war auch das Zielpublikum größer und damit nicht immer musikalisch gebildet. Daher enthielten die Druckausgaben Erläuterungen, die vorher vorausgesetzt wurden. Die Notation für Laute und Vihuela erfolgte in instrumentenabhängiger Tabulaturschreibweise, bei der für jede Saite eine Linie notiert wurde. Der Anschlag der leeren Saite wurde mit einer 0 notiert, mit der 1 wurde angezeigt, dass die Saite im ersten Bund gegriffen werden mußte etc. Im Gegensatz zur spanischen und französischen Tabulatur wurde bei der italienischen Variante die tiefste Saite oben notiert.
Melchior de Barberiis veröffentlichte 1549 im Anhang von Musico & sonator di Lauto eccellentissimo vier Fantasien für eine "Chitarre da sette chorde", also eine Gitarre mit sieben Saiten, wobei die obersten drei Saiten chörig waren. Auf die spanische Herkunft deutet hier auch die Notation, bei der im Gegensatz zur italienischen Tabulatur die höchste Saite wie bei Mudarra oben notiert wurde.
Frankreich - La Guiterne
uch in Frankreich dominierte die Laute als Zupfinstrument. Die Lautenisten Guillaume Morlaye, Adrian Le Roy und Albert de Rippe veröffentlichten ca. zwanzig Jahre nach Petrucci die ersten Lautentabulaturen in Frankreich. Sie komponierten und publizierten teilweise auch für die vierchörige Gitarre:
Le Roy veröffentlichte 1551 (gefolgt von mehreren weiteren Bänden) in seinem Pariser Verlag Briefve et facile instruction ... sur la guiterne, was allerdings nicht erhalten ist.
Drei weitere Gitarrenbücher wurden von Guillaume Morlaye in der Druckerei von Michel Fezandat gedruckt: Le premier Livre De Chansons (1552), Le premier Livre De Chansons (1552), Quatriesme Livre ... en Tabulature De Guyterne (1552) und Le Second Livre De Chansons (1553).
Die Bücher enthalten Intavolierungen meist weltlicher Lieder, Tänze wie Pavane, Galliarde und Bransle oder Allemande oder polyphone Fantasien in französischer Tabulatur. Bei der französischen Tabulatur ist die höchste Saite oben notiert und die Bundzahlen mit Buchstaben vermerkt. Die leere Saite entspricht einem a, der erste Bund dem b etc.
England - Gittern und Cittern
Cittern

Cittern
Briefve et facile instruction ... sur la guitern
Adrian Le Roy
Paris, 1565

n England findet man schon frühzeitig Erwähnungen und Abbildungen von vierchörigen Kastenhalslauten, die als Gittern, Ghiterna oder Guitarra latina bezeichnet werden. Um 1560 entstehen eine Pavane und eine Galliarde, die 1570 im Mulliner Book enthalten sind. 1568 erscheint die englische Übersetzung Adrian Le Roys Gitarrenschule The breffe and playne instruction ... on the gyttron and also the cetterne von James Rowbotham, die aber im Unterschied zu dessen Lautenschule kaum beachtet wurde.
Im Gegensatz zur Gittern fand die ebenfalls vierchörige Cister bzw. Cittern größere Beachtung. Das birnenförmige Instrument hatte einen flachen Boden, meist Drahtsaiten und war durch den einfachen Aufbau billiger, transportabler und einfacher zu Stimmen. Daher wurde die Cittern hauptsächlich zur Unterhaltung verwendet.
Deutschland - Quintern
Michael Prätorius - Syntagma

Gruppe der Zupfinstrumente
Syntagma Musicum Theatrum Instrumentorum seu Sciagraphia
Michael Praetorius
Wolfenbüttel 1619

uellen für die Gitarre im Deutschland der Renaissance sind hauptsächlich die Bücher Musica getuscht, Basel 1511 von Sebastian Virdung und dem darauf basierenden Musica instrumentalis deudsch, Magdeburg 1529 von Martin Agricola.
Während die Quintern bei Virdung noch eher lautenartig erscheint, ist das Instrument mit dieser Bezeichnung im Syntagma Musicum, Wolfenbüttel, 1619, bei Michael Prätorius schon sehr gitarrenähnlich. Im Gegensatz zu anderen europäischen gitarrenartigen Instrumenten wird die Quinterne dort als fünfchörig beschrieben.
Den Stellenwert der Gitarre in Deutschland erkennt man schon an der geringen Quellenlage. Kompositionen für Sologitarre findet man nur in dem von Adrian Le Roy in Paris verlegten Quart Livre de Tabulature De Guiterne von dem Augsburger Gregoire Brayssing. Veröffentlichungen in Deutschland sind bisher nicht bekannt.
Durch die Ausführung in Michael Prätorius' dreibändigem Werk Syntagma Musicum (Wolfenbüttel, 1619) zeigt sich wieder, dass die Quinterna im Gegensatz zur Laute (und erst recht zur Theorbe) ein kleines, einfaches Instrument war. Dazu konnte die Quinterna im Gegensatz zu Laute und Vihuela auf Grund der kleineren Mensur und der Vier- bzw. Fünfchörigkeit einfacher gespielt werden, war leichter herzustellen und leichter zu transportieren. Auch wenn Prätorius im letzten Absatz relativiert, dokumentiert das geringe vorhandene Repertoire deutlich, dass die Musik der Gitarre eher für den Augenblick war, nicht tradiert wurde wie die höfische Musik für die Vihuela oder Laute:
Quinterna oder Chiterna, ißt ein Instrument mit vier Choren
welche gleich wie die allerelteßte erßte Lauten
[...] gestimpt werden: Hat aber keinen runden Bauch
ßondern ißt faßt wie ein Bandoer ganz glatt
kaum zween oder drey Finger hoch.

Etliche haben 5. Chorsaiten unnd brauchens in
Italia die Ziarlatini und Salt´in banco
(das ßind beyn uns faßt wie die Comoedianten unnd Poßßenreißßer)
nur zum ßschrumpen; Darein ßie Villanellen
und andere närrißche Lumpenlieder ßingen.

Es können aber nichts deßto weniger auch andere
feine anmuthige Cantiumculae, und liebliche Lieder
von einem guten Senger und Mußico Vocali darein mußiziert werden.
Michael Prätorius, Syntagma Musicum, Bd.II, S.53
Komponisten der Renaissance