Inhalt
Einleitung
Frühzeit
Mittelalter
Renaissance
Barock
Klassik
Romantik
Moderne
Tabulatursysteme
Komponisten
Fingernägel
Bibliographie
Impressum
TaBazar
Geschichte der Gitarre

Die Klassik
Der Weg zur Klassik
Studierzimmer

Studierzimmer eines Kunstliebhabers
Unbekannter österreichischer Maler, 1830

b ca. 1720 hatte der höfische, spielerische sogenannte Galante Stil der Vorklassik die Polyphonie des Barocks zu Gunsten von homophoner, melodiebasierter Musik mit einfacher Harmonisierung abgelöst. Vertreter dieser Richtung waren z.b: Domenico Scarlatti, Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Christian Bach, Georg Philipp Telemann, Georg Christoph Wagenseil, Johann Joachim Quantz und schließlich auch Leopold Mozart.
Mitte des 18. Jahrhunderts fiel die Gitarre scheinbar für ca. fünfzig Jahre in eine Art Dornröschenschlaf, währenddessen sie die wesentliche Wandlung zu einem vollständigen Instrument durchmachte, dass sich an die neuen Gegebenheiten des Spiels von Oberstimme und Harmonisierung z.B. mit einem erforderlichen größeren Tonraum, anpasste. In Wirklichkeit war es eine enorm aktive Zeit, die auf Grund der schnellen Wandlung natürlich wenig Standardliteratur hervor brachte. Das Instrument erfuhr einige Modifikationen, die sich teils erstaunlich schnell durchsetzten: Dazu kam der nun vollständige Umstieg auf die Notation en musique im oktavierten Violinenschlüssel. Am Anfang waren die Umsetzungen der Notation noch unbeholfen. Ober- und Unterstimme wurden nicht getrennt notiert, wodurch auch Notenlängen nicht korrekt wiedergegeben wurden. Mauro Giuliani und Matteo Carcassi waren die ersten, die die Notation konsequent benutzten. Bei der enormen Vielfalt an Änderungen wundert es nicht, dass die Zahl der Kompositionen in dieser Zeit eher gering waren. Bei Laute, Vihuela und Gitarre war es früher Praxis die höchste Saite auf maximal mögliche Spannung zu stimmen. Bei der neuen Notation im G-Schlüssel musste die Stimmung aber nach dem üblichen Kammerton erfolgen. Musik vor dieser Zeit sollte um authentisch zu sein mit dem Kapodaster im 3.Bund gespielt werden.
Wann und von wem die sechste Saite zugefügt wurde, ist nicht bekannt, war aber wohl neben der musikalischen Anforderung auch eine Folge der neuen Möglichkeit umsponnene Seidensaiten herzustellen. Um tiefere Töne zu realisieren, muss entweder die Mensur, die Dicke oder die Masse der Saiten erhöht werden. Darmsaiten der erforderlichen Dicke hatten miserable akustische Eigenschaften, sodass auf die Technik des Umwickelns mit dichterem Metalldraht gewartet werden musste. Schließlich erlaubten die neuen, besseren Saiten auch die Chörigkeit aufzugeben, erforderten aber einen Knüpfsteg, der für die Basssaiten mehr Kräfte aufnehmen kann. In Spanien hatte sich die chörige Bespannung deutlich länger gehalten als in Italien und Frankreich.
Mit dieser Methode (der Doppelchörigkeit) ist es selten möglich, richtig zu spielen und die Harmonie in all ihrer Reinheit darzustellen, da der Klang der beiden Saiten ... das Ohr trifft, daß die höheren Töne vor den tieferen gehört werden ... Außerdem ... kann man selten Saiten finden für das unisono der beiden Saiten g und h, die die gleiche Stärke haben und vollkommen zusammenklingen.
A.M. Lemoine, Nouvelle méthode courte et facile pour la guitarre à l'usage de commençans, Paris, 1773
Der Versuch die Gitarre durch Vergrößerung mit Mensuren von mehr als 67cm lauter zu machen, scheiterte an der Unspielbarkeit und schlechten akustischen Eigenschaften. Der Einbau von Fächerstreben längst der Holzfaser unter der Decke zeigte sich durch ein gleichmäßigeres, lauteres Schwingen als wirksamer. Die Stärke der Decke konnte reduziert werden, ohne dass die enormen Kräfte auf den Steg das Holz verformen. Bisher war die Gitarre hauptsächlich ein Diskantinstrument (s. re-entrant Stimmung der Barockgitarre), das auch mit kleinerem Korpus die nötige Lautstärke erzielte. Erst die Erweiterung im Bassbereich machte die Umorientierung zu einem größeren Korpus bei normaler Mensur nötig.
Die spanische Gitarre
m Ende des 18. Jahrhunderts tauchten vor allem in Spanien erste Schulen und Spielbücher für die neue Gitarre von Federico Moretti, Antonio Ballestero, Manuel da Paixaõ Ribeiros und Fernando Ferandiere auf. Der Zisterziensermönch Manuel García (1775-1832), genannt Padre Basilio, war Organist in einem Kloster in Madrid. Er war der Erste, der versuchte die Gitarre wieder in die Kunstmusik zu integrieren, bildete Dionisio Aguado aus und soll dafür verantwortlich sein, dass der Gitarre in Spanien die sechste Saite zugefügt wurde. Vor allem Federico Moretti (ca. 1765-1838), ein italienischer Offizier im Dienst der spanischen Armee, entwickelte den neuen Stil der Gitarrenmusik. Neben einer Schule für sechssaitige Gitarre aus dem Jahr 1799 schrieb er Gitarrensolos, Stücke für Gitarre mit anderen Instrumenten, Gitarrenkonzerte, viele Lieder und einige Bücher über Musiktheorie.
Ich hörte eine seiner Liedbegleitungen, gespielt von einem seiner Freunde; ich konnte sowohl den Verlauf der Basslinie wie auch die Harmonien unterscheiden, und dies flößte mir eine hohe Meinung von seiner Bedeutung ein. Ich betrachte ihn als Fackel, die die zögernden Schritte der Gitarristen erhellen soll. (Sor über Moretti)
Fernando Sor, Méthode pour la Guitare, Paris, 1830
Kuriositäten
n den Zeiten des Wandels wundert es nicht, dass auch verwegenere Modifikationen des Instruments versucht wurden. So kommt aus Frankreich die aufrecht gespielte Lyragitarre (im Bild ein Exemplar von Carl Christian Otto aus Halle, 1820), die sich in ihrem Äußeren auf die Kithara aus dem klassischen Griechenland bezieht. Auch wenn der dekorative Aspekt im Vordergrund stand, gab es tatsächlich Publikationen, die die Lyragitarre explizit einbezogen. Sogar die beiden ersten Auflagen der Gitarrenschule von Carulli bezogen die Lyra als mögliches Instrument ein.
Die Erweiterung des Saitenumfangs versuchte man mit einem zweiten Hals für z.B. zusätzliche Bordunsaiten. Mit der Harfengitarre wurde der Versuch unternommen Harfe und Gitarre zu kombinieren, in dem das Griffbrett mit einem geschweiftem Hals als harfenähnlicher Saitenhalter versehen wurde. Diese Entwicklungen waren nach kurzer Dauer wieder vorbei und die Gitarre der Klassik konsolidierte sich. Lediglich mit der Schrammelgitarre konnte sich in Wien ein Instrument dieser Bauart etablieren.
Das Bürgertum
ie Zeit der Klassik war auch die Zeit, in der das Bürgertum entstand. Durch die amerikanische Unabhängigkeit von 1776 und die Französische Revolution von 1789 war ein Prozeß in Gang gekommen, der nicht mehr zu stoppen war. Bürger übernahmen im Staat wichtige Rollen und eiferten auch im gesellschaftlichen Leben dem Adel nach. Wurde Musik vorher am Hofe praktiziert oder war der Volksmusik zugehörig, entstand nun ein vielfältiges Konzert- und Musikleben. Dies verlangte nicht nur nach Solisten, sondern auch nach Musiklehrern und Publizisten, die das entsprechende Notenmaterial in Form von Schulen und Spielbüchern lieferten. Bei der fehlenden musikalischen Tradition wundert es nicht, dass die Qualität der Musik darunter litt. Der effektvolle Virtuose war eher gefragt, als die hochkomplexe Musik des Barocks, die Spielbücher sollten sehr einfach aber ausdrucksstark sein.
Um 1730 löste John Walsh (1665–1736) mit der Erfindung des Notenstichs in Hartzinn (eine weiche Metalllegierung aus Zinn und Kupfer/Blei) den Druck mit den beweglichen Typen Petruccis größtenteils ab. Dabei wurden mit Rastral und Stempeln, Notenlinen gestochen und Noten etc. geschlagen. Im Tiefdruckverfahren wurden die Notenblätter in begrenzter Anzahl gedruckt, da die weichen Platten schnell abnutzten. Der Notenstich entwickelte sich in der Zeit zum Kunsthandwerk, das enorme Fertigkeiten voraussetze. Die meisten Regeln des Notenstichs haben heute noch Geltung.
Die Metropolen und die Musiker
Guitaromanie

Charles de Marescot
La Guitaromanie, 1825

ie Zentren der Entwicklung der Gitarre waren jetzt die großen Metropolen der Zeit wie Paris, London und Wien. Gitarristen vornehmlich aus Spanien und Italien reisten von Konzert zu Konzert oder gaben Unterricht, publizierten Notenmaterial.
Dies war die Blütezeit der Gitarre, deren Protagonisten auch heute wesentlich zum Repertoire beitragen. In Europa und vor allem in Paris brach regelrecht eine von dem französischen Gitarristen und Verleger Charles de Marescot guitaromanie genannte Euphorie für das Instrument aus. Die Gitarre war beliebt, billig und auch von Dilettanten auf einfachste Weise zu spielen. So virtuos die Gitarristen in den Salons spielten, so groß war das Verlangen der Bürger nach immer einfacherer Spielliteratur, die Fernando Sor mit Hohn und Spott bedachte.
Fernando Sor
Fernando Sor
13. oder 14. Februar 1778, Barcelona bis 10. Juni 1839, Paris
Eigentlich José Ferran Macario Sors. Nachdem 1790 Sors Vater gestorben war, kam er aus finanziellen Gründen in die katalonische Klosterschule Montserrat, wo er auch eine musikalische Ausbildung in Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition geistlicher Vokalmusik erhielt. 1795 trat er noch nach den Plänen seines Vaters für vier Jahre als Offizier in den Militärdienst, währenddessen er erste Kompositionen für Gitarre erstellte und 1797 seine erste Oper "Il Telemaco nell´ isola di Calipso" aufgeführt wurde.
Bei Aufenthalten in Madrid bei seiner Gönnerin der Herzogin von Alba und in Barcelona bei dem Herzog von Medinaceli hatte Sor die Freiheit zu komponieren und sein Spiel zu entwicklen. Unter der französischen Besatzung blieb er erst als Patriot auf der Seite Spaniens, liebäugelte dann aber wie viele andere Intellektuelle und Künstler mit den Idealen der Französischen Revolution. Er wurde Polizeihauptkommissar unter Napoleon und verließ 1813 nach dem spanischen Unabhängigkeitskrieg seine Heimat in Richtung Paris, ging 1815 bis 1823 nach London, wo er seine größten Erfolge feierte, reiste weiter nach St.Petersburg, Warschau, Berlin und blieb schließlich ab 1826 wieder in Paris, wo er 1839 starb. Sein Grab wurde 100 Jahre später auf dem Friedhof von Montmartre wiedergefunden.
Schöne Tänze, herrliche Dekorationen und eine recht angenehme Musik. Sor ist unbezweifelt der erste Guitarre-Spieler der Welt; es ist unmöglich, sich einen Begriff davon zu machen, zu welchem Grade der Vollkommenheit er dieses ärmliche Instrument erhoben hat... (seine) größte Stärke ist die freye Phantasie: er spielt immer drey und vierstimmig und nie hört man von ihm das gemeine Arpeggien-Geklimper.
Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung, 1832, Korrespondenzbericht aus Paris von S. Neukomm
Musikalisch geprägt war Sor hauptsächlich von Moretti und durch die klassische Schule von Haydn und Mozart. In Paris gehörten Dionisio Aguado und Napoleon Coste zu seinem Freundeskreis, mit denen er auch Duos spielte. Er komponierte neben Werken für Balett, Orchester, Klavier, Gesang vor allem für die Gitarre. Seine Gitarrenschule Méthode pour la Guitare, Paris, 1830 und seine Etüden, Sonaten, Fantasien und Variationen (insgesamt 70 Werke) gehören heute noch zum festen Repertoire. Für die musikalischen Laien waren Sors Publikationen häufig zu anspruchsvoll, was zu seinem Verdruss zu immer einfacheren Stücken führte. Zusätzlich blieb ihm die angestrebte Anerkennung als Opernkomponist verwehrt. Sor war einer der wenigen Komponisten, der Musik für die Gitarre komponierte und nicht für die Gitarre Musik.
Dionisio Aguado
Dionisio Aguado García
8. April 1784, Madrid bis 20. Dezember 1849, ebenda
Dionisio Aguado, spanischer Gitarrist und Komponist, erhielt seine musikalische Ausbildung bei dem Zisterziensermönch Pater Basilio (s.o.). Bis zu seinem 40. Lebensjahr lebte er zurückgezogen auf seinem Landgut in Fuenlabrada, in der Nähe von Aranjuez und widmete sich ganz seinen Studien und der Lehrtätigkeit.
Ab 1826 verbrachte er mehrere Jahre in Paris, wo er unterrichtete und zahlreiche Konzerte gab. Er wurde schnell Liebling der Pariser Salons, wo ihm mit Fernando Sor ein anderer Vertreter der spanischen Gitarre begegnete, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Von 1838 bis zu seinem Tode lebte Aguado in Madrid.
Aguado war der Erste, der die Saiten mit den Fingernägeln anschlug und zum Wegbereiter dieser Spieltechnik wurde. Neben Aguado wurde das Nagelspiel auch von Mauro Giuliani und Ferdinando Carulli bevorzugt, während Fernando Sor, Matteo Carcassi und Antoine Meissonnier es, zum Teil vehement, ablehnten.
Wir können entweder mit den Nägeln oder mit den Fingerkuppen der rechten Hand spielen. Was mich betrifft, habe ich immer meine Nägel benutzt. Nichtsdestoweniger entschloss ich mich, meinen Daumennagel abzuschneiden, nachdem ich meinen Freund Sor spielen hörte, und ich beglückwünschte mich, seinem Beispiel gefolgt zu sein. Der Impuls der Daumenkuppe für die Bässe erzeugt einen vollen und angenehmen Ton. Für den Zeige- und Mittelfinger behalte ich die Nägel bei. Meine lange Erfahrung dürfte mich berechtigen, meine Meinung zu dieser Frage darzulegen. Mit den Fingernägeln erzielen wir auf der Gitarre eine Farbe, die sich weder mit dem Klang der Harfe noch mit dem der Mandoline vergleichen lässt. Meines Erachtens ist die Gitarre mit einem Charakter gekennzeichnet, der sie von anderen Instrumenten unterscheidet: sie ist süß, harmonisch, pathetisch, manchmal majestätisch. Sie hat nicht Zugang zur Erhabenheit der Harfe oder des Klaviers. Ihre zarte Anmut und ihre Vielfalt an Klangmodulationen machen sie hingegen zu einem Instrument voll von Geheimnissen. Aus diesem Grunde halte ich es für wünschenswert, die Saiten mit den Nägeln anzuschlagen. Sie erzeugen einen klaren, metallischen, mannigfaltigen Ton voll Zartheit, mit Licht und Schatten...
Dionisio Aguado, Nuevo Método para Guitarra, Paris, 1843
Beim Gitarrenspiel benutzte er eine spezielle Unterlage, das sogenannte tripedisono (s.Bild), auf das er die Gitarre stützte. Die Grundlagen seiner Spieltechnik zeigte Aguado in der 1825 erschienenen Gitarrenschule Método para tocar la guitarra en el trípódison, Madrid, 1825, die 1827 und 1843 als Nuevo Método para Guitarra, Paris, 1843 neu aufgelegt wurde. Dies war die erste umfangreiche und ausführliche Gitarrenmethode, die sich detailliert auf die neue Form der Gitarre eingestellt hatte und machte Aguado zum bedeutendsten Gitarrenlehrer des 19. Jahrhunderts. Aguado strukturierte seine Etüden, im Gegensatz zu dem kompromisslos auf dem musikalischen Gehalt achtenden Sor, konsequent nach dem didaktischen Ziel.
Mauro Giuliani
Mauro Giuliani
27. Juli 1781, Bisceglie bis 8. Mai 1829, Neapel
Mauro Giuliani, italienischer Gitarrist und Komponist, studierte in seiner Jugend Violoncello, Flöte und im Laufe der Zeit vorrangig Gitarre. Da in Italien die Oper das Musikleben dominierte und das musikliebende Bürgertum kaum Ausprägung fand, verließ er 1806 seine Heimat, um sich in der habsburgischen Metropole Wien niederzulassen.
Er wurde schnell einer der beliebtesten Solisten, arbeitete als Lehrer und Komponist. Er freundete sich mit Anton Diabelli, Johann Nepomuk Hummel, Ignaz Moscheles und Louis Spohr an und musizierte mit ihnen, Beethoven und Schubert gehörten zu seinem näheren Umfeld. 1819 musste er Wien zu Beginn einer europaweiten Tournee auf dem Höhepunkt seines Erfolges verlassen. Der Grund ist Mittelpunkt von Spekulationen über einen regellosen Lebenswandel, der zu wirtschaftliche Schwierigkeiten führte. Er hinterließ einige Schulden, seine Konten und sein Eigentum wurden beschlagnahmt.
Er spielte ein Konzert und Variationen mit Begleitung des vollen Orchesters, beydes von seiner eigenen Komposition, welche in der That so lieblich war, als die Art, mit der er sie vorzutragen wusste. Bewunderung und Beyfall konnte ihm gewiss Niemand versagen, und das Auditorium zeigte sogar Enthusiasmus, wie er selten, auch von dem trefflichsten Meistern hervorgelockt wird.
Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung, Mai 1808
Nach Zwischenstationen im Hotel de Gran Bretania in Venedig und Rom (wo er mit Rossini Und Paganini auftrat), zog er nach Neapel, wo sein schwerkranker Vater lebte. Dort trat er häufig mit seiner Tochter Emilia auf. Ende des Jahres 1828 erkrankte er immer häufiger, schließlich starb er am 8. Mai 1829 in Neapel. Bis zu seinem Tod hatte er den Wunsch, wieder nach Wien zurückzukehren.
Im Gegensatz zu z.B. Fernando Sor favorisierte Giuliani die große Form und Besetzung. Er schrieb allein drei Konzerte für Gitarre und Orchester und zahlreiche Kammermusikwerke. Insgesamt hinterließ er 150 Werke für Gitarre, auch im Ensemble mit Violine oder Flöte. Giuliani war wohl der größte Virtuose seiner Zeit.
Fernando Carulli
Ferdinando Maria Meinrado Rosario Carulli
10. Februar 1770, Neapel bis 17. Februar 1841, Paris
Carulli erhielt anfangs bei einem Priester Unterricht im Spiel auf dem Violoncello und studierte Musiktheorie. Mit etwa zwanzig lernte er autodidaktisch das Gitarrespiel, da er in Neapel keinen Lehrer fand. Er entwickelte dadurch einen eigenen Stil, der sich als sehr erfolgreicht herausstellte. Carulli konzertierte hauptsächlich in italienischen Städten, veröffentlichte 1807 bei Ricordi in Mailand erste Werke für Gitarre und ließ sich 1808 in Paris niederließ, wo er nach wenigen Konzerten berühmt wurde und die Gitarre salonfähig machte.
Neben der noch heute bekannten Gitarrenschule Méthode complete pour guitare, Paris, 1810 veröffentlichte Carulli eine Harmonielehre für die Gitarre: L'harmonie appliquée à la guitare, Paris, 1825. Allgemein ist die Qualität der 400 Werke Carullis, außer dem Gitarrenkonzert, eher gering, was aber auch dem Publikumsgeschmack geschuldet ist. Mit dem Instrumentenbauer René Lacôte, dessen Gitarren auch Sor spielte, leistete er wichtige Beiträge zur technischen Verbesserung der Gitarre.
Fernando carcassi
Matteo Carcassi
1792, Florenz bis 16. Januar 1853, Paris
Carcassi, italienischer Gitarrist und Komponist, lernte schon in seiner Jugend neben Klavier das Gitarrespiel. Schon mit 16 Jahren begann Carcassi in Italien Konzerte zu geben, 1810 dann auch in Deutschland. Im Jahr 1815 ging er zum erstem Mal nach Paris, wo er als Klavier und Gitarrenlehrer arbeitete.
Bei einer Reise nach Deutschland lernte er den Priester Antoine Meissonnier kennen, mit dem er eine lange Freundschaft schloss und der die meisten seiner Werke in Paris publizierte. Er verließ Florenz 1820, um endgültig nach Paris umzusiedeln, wo er lange im Schatten von Carulli stand. In den Folgejahren führten ihn Konzert-Tourneen quer durch Europa. 1836 führte ihn eine Konzertreise nochmal in sein Heimatland, kehrte aber bald nach Paris zurück und beendete vier Jahre später seine Konzerttätigkeit.
Carcassis dreiteilige Méthode complète pour la guitare, opus 59 ist die wohl umfassendste Gitarrenschule, die durch seine Etüden 25 études mélodiques et progressives, opus 60 hervorragend ergänzt wurde. Carcassi war im Gegensatz zu Carulli ein Vertreter des Nagelspiels und der erste, der die heutige Haltung der Gitarre mit Fußbank für den linken Fuß verwendete. Zusätzlich war Carcassi einer der ersten, der Musik korrekt notierte. Er trennte Ober- und Unterstimmen und notierte Pausen, was in der Zeit nicht üblich war.
Die Technik
Tripedisono

ie enorme Entwicklung der Gitarre selbst rief natürlich auch Änderungen in der Spielweise hervor. Die Trennung in Ober- und Unterstimme erforderte von dem Gitarristen eine neue Anschlagtechnik, das Lagen- und Barréspiel führte zu einer anderen Haltung der Gitarre. Aguado verwendete das tripedisono oder stützte die Gitarre auf der rechten Stuhlseite auf, Sor stützte die Gitarre auf einen Tisch. Carcassi verwendete als erster eine Bank für den linken Fuß.
Indessen, als meine Ansprüche an das Instrument wuchsen, bedurfte ich einer festern Stellung desselben, d.h. einer solchen, welche es nicht wider meinen Willen verändern könnte und dazu fand ich nichts zweckmäßiger als einen Tisch so vor mich zu stellen, daß einer seiner Eckwinkel dem zwölften Griff gegenüber lag...
Fernando Sor, Méthode pour la Guitare, Paris, 1830
Fingernägel
Fingernägel
Auch der Anschlag mit Fingernägeln oder Fingerkuppen spaltete die Gitarristen der Zeit in zwei Lager. Der fehlende Einsatz des Nagelspiels in der Zeit vorher, hatte seine Gründe nicht nur in der mangelnden Nagelpflege ( halt dhände rein, wiltu auf der Lauten schlagen fein, Philipp Hainhofer, Lauten-Codex, 1603), sondern wurde z.B. von Fuenllana als unvollkommen bezeichnet oder von Thomas Mace abgelehnt, weil nur die Fingerkuppe einen süßen Klang aus der Laute holen kann. Es gibt aber auch Hinweise, dass der Einsatz der Nägel von Anfang an der Ersatz des Plektrums war ( s.Vihuela de penola). Während Aguado, Giuliani und Carulli das Nagelspiel bevorzugten, lehnten es Sor, Carcassi und vor allem Antoine Meissonnier ab. Aguado verzichtete zumindest, nachdem er Sor spielen hörte, auf den Anschlag mit dem Daumennagel.
Arpeggios, Tremolo, Glissandi, Vibrato und Flageolett werden zum typischen Stilmittel. Der Dynamikbereich der Gitarre wird ausgenutzt und die Änderung der Klangfarbe durch den Anschlag am Steg, über dem Schallloch oder den Bünden bewusst eingesetzt. Die Legatotechnik wird von Sor und Giuliani zur Phrasierung verwendet.
Die russische Gitarre
n Russland wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der 7-saitigen Gitarre eine besondere Bauform populär, die in einer G-Dur-Stimmung (D-G-H-d-g-h-d') verwendet wurde. Der Vorläufer dieser Gitarrenbauform war die altrussische (4-6 Saiten) und polnische Gitarre. Vor allem durch 75 Kompositionen, Schul- und Studienwerken (1840) von Andrej Sichra (1773-1850) entstand eine Gitarrenbewegung, die ähnlich wie im Westen im Fortgang zyklisch ablief und mit dem 1.Weltkrieg einen Tiefpunkt fand.
Der Übergang zur Romantik
pät hatte die Entwicklung der Gitarre der Klassik begonnen, so dass die Musik einiger Protagonisten schon romantische Züge trägt. Napoleon Coste (1806-1883) und Johann Kaspar Mertz (1806-1856) waren die wesentlichen Vertreter des Übergangs, deren Werk schon großteils der Romantik zuzuordnen ist.
Napoléon Coste
Napoléon Coste
28. Juni 1805, Amondansbis 17. Februar 1883, Paris
Coste erhielt seine ersten Gitarrenstunden schon mit sechs Jahren bei seiner Mutter. Nach dem Tod des Vaters zog die Familie von der schweizer Grenze nach Nordfrankreich. Mit 18 Jahren begann Coste seine Konzerttätigkeit in Valenciennes und gab Gitarrenunterricht. 1830 ging er nach Paris, wo er zu den bekannten Gitarristen Kontakt aufnahm und Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition studierte.
Bei einem Wettbewerb um die beste Gitarrenkomposition des russischen Aristokraten Nikolaj Makarow (1810-1890) gewann er hinter Johann Kaspar Mertz den zweiten Platz. Nach einem Unfall, bei dem er sich 1863 die Hand brach, musste Coste seine Karriere als Virtuose aufgeben und widmete sich ausschließlich der Komposition.
Coste komponierte über 50 Werke, die sich durch die Mehrstimmigkeit in der Melodieführung, originellen Stil und hohen technischen Anspruch auszeichnen und schon weit in die Romantik reichen. Er bearbeitete die Schule von Fernando Sor und erweiterte sie z.B. mit einer transkribierten Suite von Robert de Visée. Seine Etüden gelten als durchdacht und technisch anspruchsvoll, sein Werk aber als musikalisch nicht von größter Bedeutung. Eine Besonderheit Costes war seine siebensaitige Gitarre mit zusätzlicher Basssaite in D oder C, für die er auch teilweise publiziert hat.
Johann Kaspar Mertz
Johann Kaspar Mertz
17. August 1806, Pressburg bis 14. Oktober 1856, Wien
Mertz wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Im Alter von 34 Jahren siedelte er nach Wien über, wo er als Gitarrist und Komponist großen Erfolg hatte. Von dort aus unternahm er mit seiner Frau, der Pianistin Josephine Plantin, Konzertreisen in einige europäische Länder. In Paris gewann er den o.g. von Nikolaj Makarow ausgerichteten Kompositionswettbewerb. Kurz darauf verstarb Mertz unter ungeklärten Umständen, bevor er den Preis entgegennehmen konnte.
Sie enthält alles: reicher Aufbau, großes musikalisches Wissen, ausgezeichnete Entwicklung einer Idee, Einheit, Neuheit, stilistische Grandeur, Fehlen von trivialem Ausdruck und Vielfältigkeit der harmonischen Effekte.
Nikolaj Makarow über Mertz' Musik
Mertz' Werk ist nicht zuletzt durch den pianistischen Einfluss seiner Frau noch deutlicher als das von Coste romantisch beeinflusst. So bearbeitete er Lieder von Schubert und verfasste Opernpotpourris auf Themen von Bellini, Rossini etc. für Gitarre solo. Seine Konzertwerke sind technisch enorm anspruchsvoll und häufig eher durch die Klavierliteratur als durch die der Gitarre beeinflusst. Dazu publizierte er bei Haslinger in Wien eine Gitarrenschule. Mertz war der letzte der großen Virtuosen der Zeit, der auch Gitarren mit acht oder zehn Saiten spielte.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es nach dem Tod der klassischen Vertreter der Gitarre wieder sehr ruhig um das Instrument. Die Entwicklung verlagerte sich wiederum nach Spanien, wo durch Francisco Tárrega und Antonio Torres der Weg zur heutigen Gitarre geebnet wurde.
Komponisten der Klassik