Die Tabulatursysteme
Übersicht
on der Renaissance (
erste
gedruckte Tabulatur 1507 von Ottavio Petrucci -
Intabulatura de lauto von Francesco Spinaccino) bis zum späten Barock wurde für
Saiteninstrumente die Tabulatur zur Notation
verwendet. Die Tabulatur ist eine Griffzeichenschrift, die nur für eine bestimmte Besaitung und Stimmung zu verwenden, dafür aber sehr
einfach zu lesen ist. Mit der italienischen, französischen, spanischen und deutschen Tabulatur haben sich vier verschiedene System entwickelt.
Dabei wird für jede Saite eine Linie verwendet, auf die man den zu greifenden Bund mit einem Zeichen darstellt. Eine Ausnahme bildet hierbei
die deutsche Lautentabulatur, bei der auch die Saite durch das Griffzeichen angegeben wird. Der Rhythmus wird durch Rhythmuszeichen oberhalb
der Tabulatur angezeigt, was aber bei mehrstimmiger Musik nur den Anschlagszeitpunkt festlegt und nicht den Wert der Note.
Während in der Renaissance noch hauptsächlich die italienische Tabulatur verwendet wurde, dominiert die französische Schreibweise ab dem Barock.
Danach setzte sich die "en musique" Notation durch. Mit dem beginnenden Barock hatte sich in Italien, später in Spanien die
Alfabeto-Schreibweise (Abecedario in Spanien) etabliert, die nur per Rasguado angeschlagene Akkorde und den Rhythmus notierte. Später entstanden
auch Mischtabulaturen, bei denen Alfabeto-Zeichen in der Tabulatur als Kurzschreibweise für einen ganzen Akkord stehen ( s.
Die Gitarre im Italien des Barocks).
Die italiensche Tabulatur
Miguel de Fuellana
Orphénica Lyra, 1554
ei der italienischen Tabulatur werden die zu greifenden Bünde mit Zahlen angegeben, wobei die
tiefste Saite oben und die höchste Saite unten notiert wird. Also so, wie ein Schüler die Saiten bei seinem Lehrer sieht. Die Rhythmusnotation
erfolgt mit Mensuralnoten, die erst für jede Note, später ohne Wiederholungen notiert wird.
Die italienische Tabulatur war lange Zeit die dominierende Form der Notation, insbesondere auch der Vihuela-Musik Spaniens in der
Renaissance. Ausnahmen stellten nur Lius Milán und Melchior de Barbariis dar, die mit anderer Saitenreihenfolge notierten. Im Barock wurde die
italienische von der französischen Tabulatur abgelöst. Als Besonderheit bei der italienischen Tabulatur wurde häufig die Singstimme in roter
Farbe direkt mitnotiert wurde.
Saite / Bund | 0. | 1. | 2. | 3. | 4. | 5. | 6. | 7. | 8. | 9. | 10. | 11. | 12. |
Basso | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | x | ẋ | ẍ |
Bordone | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | x | ẋ | ẍ |
Tenore | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | x | ẋ | ẍ |
Mezzana | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | x | ẋ | ẍ |
Sottana | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | x | ẋ | ẍ |
Canto | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | x | ẋ | ẍ |
Die spanische Tabulatur
Luis Milán - Fantasía
del primero tono
ie spanische Tabulatur für die Vihuela entspricht der italienischen Lautentabulatur, die Reihenfolge
der Saiten ist aber umgekehrt. D.h. die tiefste Saite wird unten notiert und die höchste Saite oben. Diese Notationsform wurde nur von Luis
Milán (vor allem im
El Maestro) und Melchior de Barbariis verwendet und ist heute besonders einfach zu lesen, weil sie der für heutige
Gitarrenmusik verwendeten Tabulatur entspricht. Eigentlich kann kaum von einer eigenen Tabulaturform gesprochen werden, wodurch sich deutlich der
Einfluss der italienischen Entwicklung auf Spanien zeigt.
Saite / Bund | 0. | 1. | 2. | 3. | 4. | 5. | 6. | 7. | 8. | 9. |
Canto | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |
Sottana | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |
Mezzana | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |
Tenore | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |
Bordone | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |
Basso | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |
Die Rhythmusnotation erfolgte mit den üblichen Noten der Mensuralnotation. Bei der Transkribierung werden die Notenlängen üblicherweise
halbiert.
Rhythmuszeichen der italienischen und spanischen Tabulatur
Die französische Tabulatur
Adrian Leroy
A briefe and easy instruction
to learne the tableture
ie Reihenfolge der Saiten entspricht hier der spanischen Tabulatur, es werden aber
Kleinbuchstaben von
a beginnend als Griffzeichen verwendet. Das kleine
a entspricht dabei der Leersaite. Häufig wurde
zur Vermeidung von Verwechselungen das c auch als r, das d, e und g als stilisierte Zeichen notiert
Halsbelegung der Laute bei LeRoy
Bis 1584 wurden zur Notation nur fünf Linien verwendet. Für die sechste Saite wurde dann eine Hilslinie notiert und als die Laute über die
Sechschörigkeit hinaus ging, wurde die Anzahl der Hilfslinien entsprechend erhöht oder alterniv die laufende Nummer der Saite notiert.
Die sechste Linie wurde zuerst von dem Antwerpener Emanuel Adrianssen (Hadrianus) verwendet.
Saite / Bund | 0. | 1. | 2. | 3. | 4. | 5. | 6. | 7. | 8. | 9. |
Chanterelle | a | b | c,r | d | e | f | g | h | i | k |
Seconde | a | b | c,r | d | e | f | g | h | i | k |
Tierce | a | b | c,r | d | e | f | g | h | i | k |
Quarte | a | b | c,r | d | e | f | g | h | i | k |
Bourdon | a | b | c,r | d | e | f | g | h | i | k |
Bas | a | b | c,r | d | e | f | g | h | i | k |
Die Rhythmusnotation erfolgt durch Notenhälse mit oder ohne Fahnen oberhalb der Notation, wobei mehrere Fahnen auch zu Balken zusammengefasst
werden können. Rhythmuszeichen innerhalb der Notation stellen Pausen dar. Der einfache Strich markierte dabei lediglich den Grundschlag und
die anderen Zeichen dessen Teiler.
Rhythmuszeichen der französischen Tabulatur
Die deutsche Tabulatur
Sebastian Virdung
Musica getuscht - Basel 1511
O haylige unbeflecte
ie deutsche Tabulatur ist vermutliche die älteste Tabulatur-Schreibweise und unterscheidet sich
auch deutlich von den anderen Notationsformen, da keine Linien für die Saiten verwendet werden. Dadurch erhöht sich der benötigte Vorrat
an Griffzeichen deutlich. An der Auswahl der Griffzeichen, kann man deutlich erkennen, dass die Laute ursprünglich nur fünf Saiten und fünf
Bünde hatte, sodass die Zeichen für die 6. Saite (in verschiedenen Versionen) und die höheren Bünde nachträglich zugefügt werden mussten. Da
das deutsche Alphabet nur 23 Buchstaben hatte (i,j und u,v,w entsprachen dem selben Buchstaben), wurden zwei Zeichen, das
et und
con, die etwa wie eine 7 und 9 aussehen, zugefügt. Bei den höheren Bünden wurde das Zeichen mit einem oberen Querstrich wiederholt
oder verdoppelt.
Für Noten die gleichzeitig angeschlagen werden, stehen die entsprechenden Zeichen, mit einem Rhythmuszeichen versehen, übereinander. Zum ersten
mal taucht die deutsche Lautentabulatur in gedruckter Form 1511 bei Sebastian Virdung auf (möglicherweise von dem blinden Organisten und
Komponisten Conrad Paumann im 15.Jahrhundert erfunden) und war lediglich hundert Jahre im Gebrauch. Die älteste Quelle ist ein handschriftlicher
Gedichtband von ca. 1470-73, der mit einfachen Melodien ohne Rhythmusnotation zu den Gedichten versehen ist.
Saite / Bund | 0. | 1. | 2. | 3. | 4. | 5. | 6. | 7. | 8. | 9. |
Quintsaytt | 5 | e | k | p | v | 9 | e | k | p | v |
Clain sanck Saytt | 4 | d | i | o | t | 7 | d | i | o | t |
Gross sanck Saytt | 3 | c | h | n | s | z | c | h | n | s |
Clain Brummer | 2 | b | g | m | r | y | b | g | m | r |
Mittler Brummer | 1 | a | f | l | q | x | a | f | l | q |
Gross Brummer | 1. | A | B | C | D | E | F | G | H | | |
2. | ̷I | A | B | C | D | E | F | G | H | |
3. | ̷I | A | F | L | Q | X | AA | FF | | |
4. | ̷I | a | f | l | q | x | aa | ff | ll | |
5. | ̷I | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | |
Transkription
Bei der Transkription von Tabulaturen für heutige Instrumente ergeben sich einige Schwierigkeiten. Zuerst steht natürlich die Frage der
Stimmung. War die Stimmung von Laute und Vihuela in der Renaissance noch meist konstant ( E-a-d-f#-h-e' bzw. absolut meist G-c-f-a-d'-g'
oder A-d-g-h-e'-a'), nahmen die Variationen der Stimmungen im Barock zu. Häufig wurde die Stimmung nicht angegeben, so dass versucht
werden muss, die Stimmung aus der Stimmführung zu erkennen. Bei der Umsetzung für Gitarre bleibt noch die Frage, ob die alte Stimmung
beibehalten werden soll oder eine Anpassung an die heutige Gitarrenstimmung vorgenommen werden soll?
Da Tonarten nicht notiert wurden, sollten z.B. anhand der Schlußkadenz die benötigten Vorzeichen bestimmt werden, um dann an Hand einer
Tabelle die Griffzeichen in Noten umzusetzen. Beim Rhythmus ist es häufig nötig, die Notenwerte zu halbieren und besonders für den Bass
die Notenwerte anzupassen, da nur die Länge der Melodienote angegeben ist. Weiterhin muss auf die Taktstriche geachtet werden, da diese
in Tabulaturen nicht immer metrisch sondern ordnend eingesetzt wurden. Zudem wechselt bei vielen Stücken das Metrum. Die Notation von
Verzierungen war nicht einheitlich, so dass viele Komponisten ihr eigenes Verfahren verwendet haben.